500 Jahre Reformation: Staatspräsident Macron zur Rolle der Protestanten in Frankreich

Bei einer Feier zur 500-Jährigen Wiederkehr der Reformation am 22. September 2017 im Pariser Rathaus vor Vertretern der protestantischen Kirche würdigte Staatspräsident Emmanuel Macron die Rolle der Protestanten in der Französischen Republik.

Die Reformation sei in erster Linie eine Sache des Glaubens gewesen, die nicht nur die europäische Spiritualität erschüttert habe, sondern auch einen Wendepunkt in der europäischen Sichtweise der Welt bedeutet habe. Der „Kampf für Freiheit, für einen kritischen Geist und für religiöse Unabhängigkeit“ wurde in Namen einer bestimmten Glaubensidee, der Beziehung des Menschen zu Gott und desjenigen, der an den Text glaubt, geführt.

Die Protestanten haben in der intellektuellen und politischen Geschichte Frankreichs eine bedeutende Rolle gespielt und ganz besonders bei den Gesetzen zur Trennung von Kirche und Staat 1905, „einen Augenblick, in dem sich die Geschichte des Protestantismus mit der Geschichte Frankreichs überschnitten haben“, so Emmanuel Macron.

„Ihre Identität als Protestant baut sich nicht auf einer trockenen Soziologie auf, sondern auf einem intensiven Dialog mit Gott. Genau dieses wird von der Republik geachtet, genau das ist es, was die Laizität von 1905 schützt. (…) Die Republik verlangt von ihnen nicht, den Glauben zu verleugnen oder zu vergessen. Sie erkennt ihn voll an, sie erkennt ihn mit Wahrung ihrer Regeln für das gesellschaftliche Leben an, sie erkennt ihn in der Neutralität des öffentlichen Dienstes ebenso an wie in der Intensität des Glaubens derjenigen, die an Gott glauben.“

Gewisse Grundwerte wie der Platz des Menschen in der Gesellschaft, die Bedeutung der individuellen Verantwortung bis hin zur Sichtweise intellektuellen Schaffens haben sich tief und unzertrennbar in den „esprit français“ eingegraben, so dass sich das Erbe des Protestantismus sich heute nicht von unserer gemeinsamen Geschichte trennen lasse. In diesem Sinne seien „der kritische Geist, der die Republik befördert habe und der Geist der Aufklärung Zwillinge der andauernden Hermeneutik, die den Protestanten so teuer ist“.

Dabei hingen der politische Liberalismus Frankreichs, der auch im Zentrum der protestantischen Philosophie stehe, eng mit dem wirtschaftlichen Liberalismus zusammen. Der Platz des Individuums in der Gesellschaft erlaube dabei „einen Ausgleich des politischen Liberalismus und des aufkommenden Kapitalismus, der auch die Emanzipation beförderte“. Diese Prinzipien, der Geburt des Menschen in Freiheit zusammen mit der unverletzlichen Eigentumsgarantie fänden sich auch in der französischen Verfassung wieder.

Hinter diesen Gedanken stehe dabei „nicht nur eine gewisse Konzeption der individuellen Freiheit, sondern auch der Freiheit zu gestalten, eine Freiheit, Bindungen in der Gesellschaft einzugehen und einer Freiheit zu handeln“, so der Staatspräsident.

Auch die Laizität habe protestantische Wurzeln, denn diese habe nicht erst mit den Gesetzen von 1905 begonnen, sondern sei bereits im Edikt von Nantes als eine Art modus operandi zwischen Katholiken und Protestanten angelegt gewesen. „Immer wenn Frankreich sich gegen diese Philosophie gestellt hat, hat es sich geirrt und das verraten, was es schon vor der Republik geeint hat“, d.h. die Fähigkeit verschiedene Glaubensrichtungen zu vereinen.

„Die Republik wächst durch ihre nützlichen Auseinandersetzungen, (…) denn die Laizität ist nicht die Abkehr von der Debatte, sie ist nicht die Auflösung der Glaubensrichtungen und der Identitäten in einem konzeptionellen Nebel; nein, sie ist ganz im Gegenteil die Grundvoraussetzung für eine fruchtbare Debatte, sie ist der Rahmen unserer demokratischen und intellektuellen Vitalität.“

Insofern seien die Protestanten aus ihrem geistigen Anspruch und ihrem alltäglichen Engagement heraus ein wichtiger Faktor für den sozialen und kulturellen Zusammenhalt Frankreichs.

500 Jahre nach Luther wehe der Geist der Reform weiter über den protestantischen Kirchen und der Gesellschaft. Ein Geist des Menschseins, „der die Geschichte des Protestantismus und Frankreichs“ ausmache, schloss der Staatspräsident seine Rede.

Letzte Änderung 15/11/2018

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